Kataloge/Texte

Späte Einsicht

Matthias Stuchtey, Späte Einsicht

Herausgeber Kunstverein Nürtingen
Leporello mit 6 Abbildungen und einer Einführung von Dr. Heiderose Langer,
Auflage: 500

Matthias Stuchtey kehrt in seinen Raumvisionen das Innere nach Außen, legt innere Strukturen offen, erzeugt Durchblicke und Einblicke, entwirft neue Räume. Es geht ihm um die Reflektion von Bildern des Raumes, um Bilder intimer Räumlichkeit, um das Haus, den Schlupfwinkel, die Höhle, das Nest und um die „Häuser der Dinge“, wie Gaston Bachelard in seinem Buch „Die Poetik des Raumes“ Schubladen, Schränke, Schachteln und Kisten bezeichnet, Behältnisse, in denen man seine Alltagsdinge aufbewahrt und ansammelt, aber auch seine Geheimnisse einschließt, sie versteckt. Der Künstler und wir alle wissen um die Dialektik des Drinnen und des Draußen, die sich in einer Dialektik des Offenen und des Geschlossenen wiederholt.

Textauszug Dr. Heiderose Langer

Sero

Matthias Stuchtey, 2017

Herausgeber Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken

Katalog mit 32 Abbildungen und einer Einführung von Dr. Peter Funken,
Auflage: 300

Künstlerische Produktion besitzt ihre eigenen Voraussetzungen und Regeln, und so ist die Bildhauerei von Matthias Stuchtey vor allem auch eine Kunst zu den Bedingungen seiner plastischen Vorstellungen, die womöglich inspiriert wird von Formen des Alltags und der Umgebung – etwa von Nistkolonien, Hochhauskomplexen oder Zigarrenschachteln. Genauso wichtig jedoch sind für die Entstehung seiner Kunst formalästhetische Fragen und auch ein fundiertes Wissen um die Entwicklung der gegenstandslosen und konkreten Kunst. Deshalb kann man davon sprechen, dass sich die Produktion seiner Skulpturen im Vorgang eines Transformationsprozesses ereignet, der vom Realen ausgeht und zum Gegenstandslosen hinführt, und vice versa, zurück zum Gegenstand. Der Künstler hat dazu geäußert: „Ich verstehe den Arbeitsprozess als ein zirkuläres Arbeiten, bei dem ich ständig in Bewegung zwischen diesen beiden Polen bin.“

Textauszug Dr. Peter Funken

Selfstorage

Rede von Dr. Birgit Möckel zur Eröffnung der Ausstellung Selfstorage in der Galerie im Rathaus Tempelhof Berlin, 2013

„Selfstorage“, d.h. „selbst speichern“ und das im eigenen abgeschlossenen Speicherraum, verheißt der Titel dieser Ausstellung. Mit diesem neudeutschen Wort, das kaum eine Übersetzung findet, klingt auch der eher altmodische Begriff des Speichers an – im Sinne des immer häufiger fehlenden Lagerraums im Dachboden – um gleichzeitig an virtuelle Speicherräume und grenzenlose Kapazitäten zu erinnern, die als kollektiver stets wachsender Gedächtnisspeicher all überall zur Verfügung stehen. Auch „Ludvig“ (und das ist in diesem Zusammenhang durchaus erwähnenswert) sollte eigentlich die Last (oder das Gewicht) eines Computers und das mit ihm gespeicherte Wissen tragen. Nun fordert er uns -in Einzelteile zerlegt (oder gepixelt) – zum eigenen analogen und nicht zuletzt zeit-räumlichen Denken.

Textauszug Dr. Birgit Möckel

Selfstorage

Matthias Stuchtey, 2013

Galerie im Rathaus Tempelhof, Berlin
Katalog mit 40 Abbildungen und einer Einführung von Dr. Christoph Tannert,
Auflage: 500

Die Nachfragen nach dem Verhältnis von Kunstwerk, Baukörper und Lebenssinn orientieren insofern auf das Architektonische als Erweiterung des Selbst. Stuchtey bietet etwas an, das in dieser Kombination in der Bildenden Kunst zunehmend selten anzutreffen ist: Das Verständnis von Architektur als einem komplexen Bild von Körperlichkeit. Der Stoff der rekapitulierten und projizierten Existenz als Teil und Ganzes, Innen und Außen, Geöffnetes und Abgeschlossenes, Heiteres und Tragisches ist für ihn das einzig greifbare und deshalb unangreifbare Material, das es in dieser verrückten Welt gibt, die immerzu neue Arten der Welt-Anschauung hervorbringt und nivelliert, ohne jemals genug davon zu bekommen.

Textauszug Dr. Christoph Tannert

säkular

Matthias Stuchtey, 1997

Herausgeber Kunstraum Fuhrwerkswaage, Köln
Katalog mit 6 Abbildungen und einer Einführung von Prof. Dr. Michael Erlhoff,
Auflage: 200

Damit werden die Gegenstände des Interieurs, was sie ohnehin auch oder ausschließlich sind: Zeichen und geordnete Zeichenketten, die im Rahmen normaler Sucht nach Lesbarkeit als Schrift aufscheinen. – Schrift in der Kirche, das kennen wir doch, das hat Geschichte; und Schrift im Profanbau, das ist Dokumentation, erzählt Geschichten, also stehen wir wieder inmitten eines säkularen Sakrilegs. In einer Situation, die offenkundig präzise organisiert und anschaulich mit uns und unserem Ahnen und Wähnen umgeht. Wir sind im Stall des Zimmermanns und erfahren doch, dass die Erfahrung allein imaginär ist. In der deutschen Sprache ist eben das Anagramm von „Traum“ lediglich „Armut.

Textauszug Prof. Dr. Michael Erlhoff

travers

Matthias Stuchtey, 1997
Kunstverein Dortmund

Auszug aus der Rede von Dr. Uwe Schramm, Die Spur des Zweifels

Mit der Kunst von Matthias Stuchtey formuliert sich ein intendierter Zweifel an der Eindeutigkeit der sinnlich wahrnehmbaren Erscheinung. Seine Skulpturen und Objekte sind darauf bedacht, den Betrachter mit Fragen nach dem eigenen Standpunkt, nach der Gültigkeit und Relevanz vorgefasster Wahrnehmungsmuster zu konfrontieren.
Der Weg dahin führt über die Herstellung neuer Bezugsysteme auf der Basis von vorgefundenen Ordnungen und Strukturen. Die ordnungsgemäß gestaltete Welt wird dabei buchstäblich aus den Angeln gehoben, allgemeine Funktionsträger verlieren ihren angestammten Platz und erhalten neue Aufgaben im Umgang mit Bildern und Begriffen.